Buchstäblichkeit

Alfredo Eidelsztein macht in seinem Buch The Graph of Desire. Using the Work of Jacques Lacans (Karnac 2009) aufmerksam, dass der Graph des Begehrens als eine Einführung des Buchstaben, der Buchstäblichkeit in die Psychoanalyse gelesen werden kann. 
Psychoanalyse wird insbesondere von Freud stets als ein Austausch von Worten betrachtet. Aber mit Worten lässt sich mehreres machen. Sie lassen sich vertauschen, vergessen, verschweigen – um ein Repertoire an Fehlleistungen zu bemühen. Sie lassen sich aufmalen, unterdrücken, hervorrufen. Insbesondere gehören Worte zum Hören.  Psychoanalytiker hören zu, so die populäre Annahme. Aber Hören ist nicht Lesen. Lacan scheint klar zu unterscheiden: Sprachliches taucht einerseits als Signifikant und andererseits als Buchstabe auf in seiner Lehre. Wenn er vom Buchstaben (la lettre) spricht, geht es um Lesen und Schreiben. Ein Signifkant wird gehört, ein Buchstabe gelesen. Linguistik und der Signifikant auf der einen Seite stehen, so Eidelsztein, der Psychoanalyse und dem Buchstaben auf der anderen Seite gegenüber.gdnknstrch
Eidelsztein argumentiert die Hypothese, dass die Analytikerin liest und nicht hört, mit einem Votum für eine topologische Auffassung des Subjekts. Das Subjekt im Graph des Begehrens wird als durchgestrichenes S gekennzeichnet, als Buchstabe, nicht als Signifikant. Der Signifikant kommt in der unteren Etage des Graphen als solcher vor und sollte daher nicht mit dem Subjekt verwechselt werden.
Eidelszteins Lösung hat trotz ihrer Überzeugungskraft den Nachteil, dass sie eine zumindest oberflächliche Lektüre des Graphen voraussetzt. Daher hier ein Versuch, den Zweck der Unterscheidung jenseits ihrer Formalisierung nachzuvollziehen: Der Buchstabe steht bei Lacan für die Materialität des Diskurses, für das, was den Sinn trägt, ohne selbst sinnvoll zu sein. Der Buchstabe könnte das repräsentieren, was in Morels Gesetz der Mutter grausam, archaisch, aber vor allem nicht aussprechbar ist (wobei Morel diese Verbindung selbst nicht herstellt). Für den Buchstaben statt für den Signifikanten zu votieren, könnte aber auch heißen, dass Lacan einmal mehr warnen möchte vor einer Haltung, die alles für verstehbar hält. Als reale Formation widersetzt sich der Buchstabe selbst der Analyse, ähnlich wie die einzelnen Buchstaben in G d nk nstr ch.Das sinthom hat insofern Ähnlichkeit mit dem Buchstaben, als es auch nicht analysierbar ist. Führt es weiter, das sinthom als eine spezielle Form des Buchstaben anzusehen?

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