Spinnen

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Ob die Tiere träumen, wisse er nicht, schreibt Freud in der Traumdeutung.Umgekehrt haben wir Gewissheit: Menschen träumen von Tieren. Das lässt sich nachweisen. Sie erzählen schließlich davon. Der Berliner Psychoanalytiker und Mitstreiter Freuds, Karl Abraham, berichtet von mehreren Spinnenträumen eines seiner Analysanten:
Einmal hängt eine Spinne an der Decke und wird vom Zimmermädchen mit dem Besen zerdrückt. Ein anderes Mal fällt ein großes, haariges, langes Exemplar von einem Kasten herunter auf den Träumer, der neben seiner Frau oder seiner Mutter steht. Im dritten Traum wird der Träumer von seiner Frau gewarnt, dass die Spinne, die über seinem Bett an einem Faden turnt, ihn berühren oder auf ihm herum krabbeln könnte. Die Spinne taucht dauernd neben Frauen auf – neben dem Zimmermädchen, der Mutter, der Ehefrau. Er kann es nicht gleich begründen. Aber Abraham ist überzeugt davon, dass die Spinne im Traum eine Frau verkörpert.
Frauen irritieren. Auf animalische Weise. Wie Spinnen, wie Motten. Oder wie der Geier, den Freud in seiner Arbeit über Leonardo da Vinci mit dessen Mutter in Verbindung bringt. Freud beschreibt den Geier als ernährend, liebevoll und lustspendend. Doch die Ambivalenz dem Raubvogel gegenüber ist auch in Freuds weiterer Beschreibung nicht zu übersehen. Der Schnabel des Geiers flößt alles andere als Vertrauen ein. In der Hieroglyphenschrift der Ägypter war das Bild des Geiers das Zeichen für die Mutter. Ägyptologisch wird das mit der Klangidentität der Worte für Mutter und für Geier erklärt. Ein zufälliger Gleichklang?
Die Sprache weiß mit ihren Klanggebilden manches zu verraten, was wir uns mit Bildern wieder zu verdecken suchen.

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