Der Blick auf vergangene Zeiten

Philippe Garrels La Jalousie (2013) beschränkt  sich auf Schwarz- und Weißtöne. Keine Farben. Die Voraus-Empfehlungen lassen etwas Außergewöhnliches erwarten. In ihnen ist von „stets im Materiellen geerdeter Liebe“, von nicht zu verbergendem Schmerz die Rede, von „sämtlichen Nuancen“, die erfasst würden im Film, wenn Eltern sich trennen und für ein Kind neue BeziehungspartnerInnen auftauchen (vgl. Der Standard Do. 31.10./Fr. 1.11.2013, V2).

Der Film selbst erweist sich als geprägt von einem, vor allem versonnen blickenden Protagonisten (Louis Garrel), der bemüht ist, diversen Avancen, die sich von seiten der Freundin mit der tiefen Stimme (Anna Mouglalis), von seiten der schönen Schwester (Esther Garrel) oder von seiten seiner Tochter auf ihn richten, etwas abzugewinnen. Er greift eher unerwartet zur Pistole – und trifft nicht. Ebenso überraschend seine Tochter. Erfolgreich sorgt sie für Heiterkeit im düsteren Treiben. Früher wäre sie vielleicht als Wildfang bezeichnet worden, ein agiles Kind, das sich von den angekränkelten Eltern in keiner Weise anstecken lässt. Erstaunlich. Auch die Frauenfiguren befördern mit ihren oftmals hastigen und – weil nicht nachvollziehbar – unmotivierten, angeblich eifersüchtigen Aktionen hauptsächlich Ratlosigkeit.

Eine feinsinnige psychologische Studie ist der Film wohl kaum. Das soll er vermutlich auch gar nicht sein. Die Einordnung in das Gesamtwerk des Regisseurs lässt eine Fülle von Beziehungen deutlich werden, die der naiven Zuschauerin beim ersten Hinsehen nicht zugänglich waren. Für Garrel, der in seinen Filmen gerne Verwandte als Schauspieler einsetzt, hat der Film einen besonderen Zweck. Sein Sohn Louis ist mit 30 Jahren so alt wie Philippe Garrels Vater war, als er sich von seiner Frau (und Mutter des Regisseurs) getrennt hat. Die Tochter im Film besetzt die Position des Regisseurs im Leben – als wäre der Film vor allem ein transgenerationeller Blick zweier Männer in vergangene Zeiten.

Bei einer öffentlichen Präsentation in Venedig wurde Garrel angesprochen auf seine Darstellung der Frauen im Film. Sie sei nicht böse, meint er auf eine entsprechende Frage. Er wolle jenen dunklen Teil weiblicher Sexualität darstellen, der oft verschwiegen werde. Ganz überzeugend klingt das nicht. Und der Eindruck, dass es im Film mehr um jallouissance (Lacan 1991, 107) als um jalousie, mehr um das Genießen der Eifersucht (einer anderen Person) als um die Erfahrung von Eifersucht geht, verstärkt sich.

Lit.:
Lacan, Jacques (1991): Das Seminar. Buch XX. Encore, Weinheim, Berlin: Quadriga.

 

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