Wegen ihrer Beschäftigung mit präverbalen Phantasien wurde Melanie Klein von Jacques Lacan einmal als eine Innereienfleischhauerin („tripière“, vgl. Lacan 1958, 302) bezeichnet. Julia Kristeva hat dieser Attribuierung zu anhaltender Bekanntheit verholfen, indem sie in ihrem Buch über Melanie Klein ein Kapitel mit „Die Linke und die Feministinnen bemächtigen sich der »inspirierten Innereienhändlerin«“ (Kristeva 2001, 230) überschrieben hat. Welche Innereien wurden da ver/ge/handelt? Hatte Lacan das Hirn, das Herz, den Magen, die Niere, die Milz oder gar das Bries im Blick? Und war seine Abneigung gegen Innereien wirklich so groß, wie es in manchen Diskussionen den Anschein hat?
Zu den wenig thematisierten Innereien der psychoanalytischen Behandlung zählt das Musikalische. Es ist in jeder Stunde inkludiert und wird nur selten in seine Bestandteile zerlegt – in den immer wieder neuen Klang der Stimmen, die wechselnde Tonhöhe, das unerwartete Auftreten von Störgeräuschen, den verborgenen Rhythmus von Äußerungen, das unüberhörbare Schweigen, das Zusammenspiel, in auftauchende Dissonanzen, Atemgeräusche, die Rhythmik von Behandlungen, das Mitklingen des Raums, aber auch des Körpers in Form von Magenknurren oder Darmgrimmen. Musikalische Improvisationen gestatten es, verschiedene solcher musikalischer Dimensionen zu unterscheiden: Bei axolotl etwa lassen sich das Atmen, akustische Eindrücke unklarer Provenienz, das Fehlen jeglicher Rhythmen ebenso isolieren wie etwas mechanisch Klingendes. The Necks, eine seit vielen Jahren zusammen musizierende Formation, beziehen sich wie selbstverständlich aufeinander und stützen sich auf Intensitäten durch kleine Veränderungen in langen Zeitintervallen. John Butcher macht deutlich, was einer mit einem Instrument vermag und welche Kraft aus der Wiederholung zu schöpfen ist. Lacan, der sich wie Freud nur wenig zu Musik geäußert hat, meint in seinem Seminar XVII, dass ein Instrument wie die Flöte etwas sei, was den Körper aufspalte, weil beim Spielen Synergien und Gewohnheiten aufgegeben werden müssen (vgl. Lacan 2006, 70).
Subjekte haben sehr viele Innereien, wenn mit Innereien etwas Nicht-Symbolisches, Prä- oder Paraverbales gemeint ist. Und Lacans Innereienfleischhauer-Gedanke wendete sich gewiss nicht gegen die Existenz von solchen Momenten. Kristeva weist zu Recht darauf hin, dass Lacan einige Bestandteile von Kleins Theorie unter Verwischung der Spuren ihrer Herkunft in seine Überlegungen integriert hat – wie etwa das innere Objekt, das er in Form von imagines zerstückelter Körper thematisiert hat (Kristeva 2001, 225f.). Lacan ging es allerdings darum, die Phantasien über den mütterlichen Körper als Imaginationen von dem zu unterscheiden, was er Wahrheit genannt hat (und was er lange Zeit gerne mit dem Phallus in Verbindung gesehen hat). Improvisiertes Musikmaterial macht klar, dass es sehr vieles gibt, worauf sich Phantasien im Präverbalen richten können. Freilich ist dabei Gemächlichkeit angebracht. Bevor Sinn verstanden werden kann, muss das Material in seiner Fülle erst einmal gehört werden. Max Kleiner hat vor Kurzem wieder betont, dass sich Lacan in seinen späten Seminaren sehr viel mehr für den Klang interessiert hat als für den Sinn (Kleiner 2012, 26).
Innereien lassen sich schmackhaft zubereiten. Am Bloomsday werden sie nicht umsonst gerne gegessen.
Lit.:
Kleiner, Max (2012): Lacans Sinthom – ein Jenseits des Ödipus? In: texte. psychoanalyse. ästhetik. kulturkritik 32/1, 7-33.
Kristeva, Julia (2001): Melanie Klein. New York: Columbia University Press.
Lacan, Jacques (1958): Jeunesse de Gide ou la lettre et le désir, in: Critique n° 131, 291-315.
Lacan, Jacques (2006): Le séminaire. Livre XVII (1971). D’un discours qui ne serait pas du semblant. Paris: Seuil.