Um den Unterschied zwischen einer begehrensorientierten Zugangsweise gegenüber einer, vornehmlich an der jouissance orientierten Betrachtung genauer zu beschreiben, folgt hier ein Filmbeispiel mit ein paar Gedanken.
Jan Svankmajer (1968): Picknick mit Weismann
Mittels einer knappen und vor allem über den Rhythmus sehr dezidierten Kadrierung werden wir als BetrachterInnen dieses Films von der ersten Einstellung weg mit unserem Nicht-Sehen-Können beschäftigt (Details von unbekannten Gegenständen im Großformat, rasche Bildfolge, schnelles Wechseln der Einstellungen, Überblick über die Szenerie aus einer Entfernung, die eine Detailwahrnehmung unmöglich macht etc.).
Auch das Dargestellte wirkt vor allem durch die Kargheit der Auslassung. Die Kastration führt Regie. Wie von einer maschinenartigen Geisterhand gelenkt, spult sich ein Geschehen ab, für das kein Urheber in Sicht ist. Der Plattenteller und mit ihm der Trieb drehen sich. Immer weiter. Um einzelne Partialtriebqualitäten werden Erwartungshorizonte skizziert: neben dem dominierenden optischen Register, das mit der Bildseite der Tarockkarten und den Fotosequenzen Männer und Frauen umfasst, wird der Bereich des Akustischen angesprochen. Mit den drei Schallplatten, dem Singen von Rio de Janeiro, dem Paradies und anderen verlockenden Orten und mit dem Namen „His master’s Voice“ ist auf die Invokation, auf Sprechen, auf Sprache angespielt. Die kleiderhafte Pflaumenverdauung nähert sich dem Oral/Analen auf ironische Weise. Ein Lederphallus bläst sich selber auf. Das Bett rauscht ab in den Wald.
Der Mangel bleibt bestimmend, auch wenn der Blick sich in Form einer Verdoppelung der Filmkamera im Inneren des Films als Fotoapparat selbständig macht. Wir sehen Rio de Janeiro nicht, was wir im frühlingsgrünen tschechischen Wald auch gar nicht erwarten können. Aber wissen wir, was wir suchen? Ein Spiel von Differenzen gibt Rätsel auf. Da ist etwas, und da ist doch nichts. Befriedigung im offenen Rätsel lässt sich nur für Zwangsneurotiker finden. Wie der Schallplatte nach der Unterbrechung durch die Schnecke bleiben uns die Kreise des Begehrens.
Lacan befand sich mit einigen anderen in einem intellektuellen Rahmen, von dem Michel Foucault Jahre später meint, er sei durch einen Widerspruch und eine Konvergenz gekennzeichnet gewesen. Foucault sieht einen solchen Widerspruch bei all jenen, „die in den letzten fünfzehn Jahren als »Strukturalisten« bezeichnet worden sind und – mit Ausnahme von Lévi-Strauss – trotzdem keine waren, nämlich Althusser, Lacan“ und er selbst (Foucault 1997, 42). Die Konvergenz zwischen ihnen habe darin bestanden, dass alle drei das Thema „Subjekt“ auf neue Weise behandeln mussten. Mit den überlieferten Theorien des Subjekts, das in Frankreich vornehmlich ein Cartesisches war, konnte keiner von ihnen weiter denken.
Lacan hat das verschwundene Subjekt in seinen frühen Seminaren als eine Leerstelle in die Szene aufgenommen, eine Szene, die sich durch ein Begehren, das sich über diesen Mangel aufbaut, stabilisiert. Svankmajers Film akzentuiert die Leerstelle und endet mit einem Toten. Ob der Anblick des toten Mannes ein grausames Genießen repräsentiert, zu dem Lacan in diesen frühen Jahren zwar auch gekommen wäre, von dem er aber Jahre später auszugehen scheint? Und – wenn diese Vermutung stimmt – was bedeutet ein solches, das Spätwerk Lacans bestimmendes Nicht-die-Kastration-in-den-Vordergrund-Rücken in der Behandlung?
Lit.: Foucault, Michel (1997): Der Mensch ist ein Erfahrungstier. Gespräch mit Ducio Trombadori, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2. Aufl.