Einer phallisch strukturierten Kultur ist die Tendenz eingeschrieben, sich am Sichtbaren zu orientieren. Jedenfalls ist der Gedanke, dass sich ein Phallus deshalb besonders eignen würde, An- und Abwesenheit zu symbolisieren, weil dies mit seinen unterschiedlichen Funktionszuständen leicht(er) möglich wäre, mit dem Blick und den Möglichkeiten des Auges verknüpft. Passend dazu finden sich in der Theorie stereotype Annahmen darüber, dass die Frau als solche vor allem dem Unsichtbaren zuzuordnen wäre.
Anne Juranville stellt in einem Text (Juranville 2004, Dank an Suzy Kirsch für den Hinweis auf diese Arbeit) mit Bezugnahme unter anderem auf Nietzsche („Die Wahrheit ist ein Weib“), Baudrillard („Das Weibliche verführt, weil es niemals dort ist, wo es denkt“) oder auch Derrida dar, dass sich das Weibliche in besonderer Weise durch Verschleierung auszeichnet. An solchen Überlegungen scheint mir vor allem der Stil fragwürdig. Selbst wenn im Hintergrund ein strukturalistisches Verständnis von Weiblichkeit und Männlichkeit eine essentialistische Zuschreibung für die einzelne Frau zu unterwandern versucht, bleibt die fixierende Verbindung zwischen dem weiblichen (oder in anderen Zusammenhängen männlichen) Geschlecht und bestimmten Eigenschaften im Gedächtnis haften. Für den Boulevard werden richtige Männer und starke Frauen produziert. Oder muede Helden und schwache Seelen.
Die Zeichnerin und Photographin Birgit Jürgenssen ist, wiewohl sie mit der Verschleierung gearbeitet hat, einen anderen Weg gegangen. Sie hat Fort und Da auf ihre eigene Weise in Szene gesetzt. Dem Animalischen kommt dabei eine spezielle identifikatorische, aber auch subversive Funktion zu. Es ist, als leuchte immer wieder ein Feldhamsterfell auf. Neue Bedeutungen jenseits bekannter Stereotypen.
Birgit Jürgenssen ist derzeit in Wien eine Retrospektive gewidmet. (Die beiden Bilder dieses Eintrags sind dort zu sehen.)
Lit.:
Juranville, Anne (2004): Voile, féminin et inconscient, in: Adolescence, 2004, 22, 523-532.
One thought on “Hinter den Schädeln”
Frauen tragen Pelz. Richtige Frauen tragen Pelz. Wie bitte? Frauen tragen Tierschädel. Sie sind in der Lage, sich gegen Klischees zu wehren. „Subversiv“ ist das nur, wenn man sich auf die Seite der Banalitäten stellt und dann darüber erfreut zeigt, dass den dummen Klischees ein Schnippchen geschlagen wird. Auch ein Vergnügen, aber ein geringes.
In einem Bildkommentar der Jürgenssen-Ausstellung wird versichert: die Künstlerin hat als Tierschützerin keinen Pelz getragen. Gut zu wissen.